Taschengeldentzug als erzieherische Maßnahme
Betrachten wir zunächst die Bestrafung. Dazu nehmen wir an, dein Kind bringt eine schlechte Note aus der Schule mit nach Hause. Oder es weigert sich, kleine Aufgaben im Haushalt zu übernehmen. Das kann zum Beispiel das Abräumen des Frühstückstisches sein - alltägliche Tätigkeiten eben, die zum familiären Zusammenleben dazugehören. Nun streichst du deinem Kind das Taschengeld, in der Hoffnung, sein Verhalten positiv zu beeinflussen. Eine Idee, die auf den ersten Blick plausibel erscheint.
Eine sinnvolle erzieherische Maßnahme ist die Strafe, zum Beispiel in Form eines Taschengeldentzugs, jedoch nicht. Studien zeigen, dass sich Kinder in den meisten Fällen nicht mit dem Grund für die Strafe, also dem eigenen Verhalten, auseinandersetzen. Stattdessen beschäftigen sie sich mit den direkten Konsequenzen, die sich aus der Strafe ergeben. Einen Lerneffekt haben Strafen daher in der Regel nicht. Zudem werden Kinder traurig oder wütend, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Der moralischen Entwicklung können Strafen sogar schaden.
Expertin nennt Alternativen zu Strafen
Was Eltern anstelle von Strafen tun können, erklärt Aida S. de Rodriguez. Sie ist eine der Gründerinnen der APEGO-Schule in Berlin, die vollständig ohne Strafen (und Belohnungen) auskommt. Stattdessen werden die Entscheidungen, welche die Kinder betreffen, gemeinsam mit ihnen gefällt. de Rodriguez nennt sieben Alternativen zu Strafen, die du zum Beispiel anstatt des Entzugs des Taschengelds nutzen kann:
- Fokussiere dich nicht auf das Verhalten, sondern auf das Bedürfnis: Wenn sich dein Kind ungewöhnlich oder aggressiv verhält, hat das immer einen Grund. Es will dir etwas sagen oder braucht etwas. Versuche den Grund herauszufinden und dann angemessen darauf zu reagieren - nicht jedoch mit einer Strafe.
- Eigne dir Wissen an: Tausche dich mit Eltern aus deinem Umfeld oder in sozialen Netzwerken aus. Durch die geteilten Erfahrungen kannst du das Verhalten deines Kindes besser nachvollziehen. Auch die Lektüre von Fachbüchern hilft. Und de Rodriguez empfiehlt vor allem, mit Kindern zu reden, um mehr über die Gründe für ihr Verhalten zu erfahren.
- Drücke die Stopptaste und gehe gemeinsam mit deinem Kind aus der Situation: Eskaliert die Situation, ist es sinnvoll, einen Moment innezuhalten und den Raum zu wechseln - und zwar gemeinsam, um einen Neustart zu signalisieren.
- Rede in einer ruhigen Minute mit deinem Kind: Beruhigt sich dein Kind nicht, versuche es zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Gespräch. Weil Kinder oft noch emotionaler als Erwachsene seien, so die Expertin, ist die Wahrscheinlichkeit für einen zielführenden Austausch nach einer Zeit des "Runterkommens" deutlich größer.
- Sucht gemeinsam nach Lösungen: Setz dich mit deinem Kind zusammen und besprecht das Problem. So lässt sich auch einfacher eine Lösung finden, die euch beide zufriedenstellt.
- Gebt euch eine zweite Chance: Wie beim Streit mit anderen Erwachsenen empfiehlt de Rodriguez, "sich eine zweite Chance" zu geben. Das klingt beim eigenen Kind nur allzu logisch, soll aber als mentale Strategie verstanden werden: Habe die zweite Chance im Kopf, auch wenn du dein Kind im ersten Impuls bestrafen möchtest. Ist die Strafe bereits ausgesprochen, kannst du sie im zweiten Moment auch wieder zurücknehmen.
- Biete Alternativen an und sei kreativ: Zu guter Letzt solle man sich kreative Alternativen einfallen lassen, um das Kind zu einem anderen Verhalten zu bewegen, so die Expertin. Sie nennt "du kannst ohne Schuhe auf dem Sofa springen oder du gehst raus zum Trampolin" als ein Beispiel.
Regelmäßige Belohnungen nicht zielführend
Einen positiven Effekt hat die Streichung des Taschengeldes also nicht. Wie sieht es hingegen mit einer Belohnung aus? Kann ein zusätzliches Taschengeld das Verhalten von Kindern positiv verändern - weil es einen Ansporn bietet? Der erste Impuls lautet: ja. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass Kinder eine Aufgabe wie zum Beispiel das Aufräumen des Zimmers schneller erledigen, wenn sie unmittelbar danach dafür belohnt werden.
Aber: Erstens fördern regelmäßige Belohnungen nicht den Eigenantrieb, die sogenannte intrinsische Motivation. Weil die Aufgaben aufgrund einer Belohnung und nicht wegen dem eigentlichen Zweck bewältigt werden. Und zweitens vermittelt die Belohnung in Form eines zusätzlichen Taschengeldes das Gefühl, dass "gute Taten" immer materiell honoriert werden müssen. Dabei gibt es auch ganz andere Möglichkeiten, wie du dein Kind belohnen kannst.
Tausch oder Lob statt mehr Taschengeld
Du kannst deinem Kind zum Beispiel eine halbe Stunde mehr Fernsehzeit im Tausch gegen eine kleine Aufgabe im Haushalt anbieten. Sinnvoll ist auch, wenn du deinem Kind erklärst, was für einen positiven Effekt es hat, wenn es eine bestimmte Aufgabe erfüllt. In einem aufgeräumten Kinderzimmer lässt es sich beispielsweise viel besser spielen als auf einem Boden voller Gegenstände. Das wird auch dein Kind verstehen und wahrscheinlich gleich viel lieber mit dem Aufräumen beginnen.
Statt eines Tauschangebots reicht manchmal auch schon ein einfaches Lob, damit dein Kind sieht, dass du dich darüber freust, wenn es etwas erledigt hat. Wir empfehlen, beides - sowohl kleine Belohnungen wie Tauschangebote als auch lobende Worte - in einem angemessenem Maß einzusetzen. Denn: Die Übernahme von kleinen Aufgaben im Familienalltag gehört einfach dazu, fördert den Gemeinschaftssinn und muss nicht immer als besondere Tat hervorgehoben werden.
Kleines Extra-Taschengeld für besondere "Jobs"
Zum Schluss noch ein Tipp zur Belohnung mit einem Extra-Taschengeld: Auch wenn wir empfehlen, es grundsätzlich nicht regelmäßig zu vergeben, ist es in Ausnahmen natürlich möglich, um deinem Kind eine kleine Freude zu machen. Zum Beispiel bei besonderen "Jobs" wie der Gartenarbeit. Es spricht nichts dagegen, solche Tätigkeiten außerhalb der Reihe gelegentlich zu honorieren.
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